Retronym

Sonntag, 27. November 2016 19:34


Das Retronym, ein neuer Namen für Altbekanntes

 

Meistens werden an dieser Stelle Neologismen vorgestellt, also Wörter, die neu in die deutsche Sprache aufgenommen wurden. Dies sind Ausdrücke wie zum Beispiel Brexit,  Selfie oder Streetfood. Sie bezeichnen in der Regel etwas, das als Ding oder Begriff an sich etwas Neues ist. Aber es gibt auch neue Wörter, die etwas bezeichnen, das wir schon lange kennen, nun aber im Nachhinein umbenannt werden oder eine zusätzliche Bezeichnung erhalten. Solche Wörter werden in der Sprachwissenschaft Retronym genannt [< lat. retro „zurück, rückwärts“ + grch. onyma „Name“].

Das Wort Retronym wurde in Anlehnung an die grammatischen Begriffe Synonym (Wort mit ähnlicher oder gleicher Bedeutung) und Antonym (Wort mit gegensätzlicher Bedeutung) gebildet.

 

Retronyme sind häufig Wörter, denen auf den ersten Blick gar nicht anzumerken ist, dass sie eigentlich Neubenennungen sind. Hier einige Beispiele für Retronyme:

Seit der Verbreitung der Digitaluhr wird die mechanische Uhr als Analoguhr bezeichnet. Ähnliches gilt für den Fotoapparat: Nach Aufkommen der Digitalkamera entstand der Name Analogkamera.

Was früher schlicht als Fernseher bezeichnet wurde, hat nach Einführung der Farbfernsehers den Namen Schwarzweißfernseher bekommen. Und das Wort Stummfilm wurde erst nach Einführung des Tonfilms geprägt.

Die Gitarre und das Klavier haben nach der Entwicklung elektrischer Instrumente nachträglich zusätzliche Bezeichnungen erhalten: So wird zwischen akustischer und Elekrogitarre unterschieden und das mechanische oder akustische Klavier hat diese Bezeichnung erst  nach der Verbreitung der E-Pianos und Keyboards bekommen.

Computer wurden ursprünglich als Rechner bezeichnet, nach der Entwicklung der PCs oder Heimcomputer ist in Abgrenzung hierzu das Wort Großrechner als Retronym entstanden.

Die Erfindung der Handys und die Entstehung des Mobilfunks haben dazu geführt, dass das herkömmliche leitungsgebundene Telefonnetz zum Festnetz wurde – einschließlich der Festnetznummer, als Gegenbegriff zur Handynummer.

Relativ neu im Deutschen ist das Wort Meatspace – die englische Bezeichnung für „reale Welt“ –, das als Gegenbegriff zu Cyberspace, der virtuellen Welt, gebraucht wird.

Die Begriffe natürliche Sprache und menschliche Sprache verdeutlichen als Neubenennungen den Unterschied zur künstlichen oder Programmiersprache.

Aber auch der Erste Weltkrieg, zunächst nur Weltkrieg genannt, hat diese Bezeichnung  nachträglich erhalten, also erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Abschließend bleibt jedoch festzuhalten, dass die Anzahl der Retronyme im Deutschen recht überschaubar ist. Die Bildung von Neologismen ist dagegen wesentlich produktiver als diejenige von Retronymen.

Um auf das anfangs genannte Wort Brexit, das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, zurückzukommen: Dieses noch recht junge Wort hat bereits eine Weiterentwicklung erfahren, den so genannten Brexodus – eine Bildung aus Brexit und Exodus. Es bezeichnet den Exodus [< grch. „Auszug, Ausgang“] von Menschen, die Großbritannien nach dem Brexit verlassen.